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Die ÖVP hat am Sonntag das größte prozentuelle Minus bei einer Nationalratswahl in ihrer Parteigeschichte erlitten. Obwohl Umfragen bereits ein Abschneiden hinter der FPÖ prognostiziert

hatten, hoffte die Partei bis zuletzt auf ein knapperes Ergebnis. Die Parteiführung zeigte sich entsprechend ernüchtert am Wahlabend. Dennoch gab sich Bundeskanzler und Parteichef Karl Nehammer weiterhin kämpferisch.

Laut dem vorläufigen Endergebnis erreichte die Volkspartei 26,5 Prozent der Stimmen, was einen Rückgang von exakt elf Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Wahl bedeutet. Dieser Stimmenverlust übertrifft den Verlust bei der Wahl 1990, als die ÖVP ein Minus von 9,23 Prozentpunkten hinnehmen musste. Auch damals profitierte die FPÖ. Mit diesem Ergebnis verlor die ÖVP nahezu ein Drittel ihrer Mandate. Immerhin blieb der bisherige Negativrekord von 2013, als die Partei nur 23,99 Prozent erreichte, unangetastet.

Für Nehammer, der die Partei Ende 2021 von Sebastian Kurz übernommen hatte, bedeutet das Minus am Sonntag die fünfte Wahlniederlage unter seiner Führung. Von sechs Wahlen gab es fünfmal deutliche Verluste, nur bei der Landtagswahl in Kärnten konnte die ÖVP ein leichtes Plus verzeichnen.

Das letzte signifikante Plus erreichte die ÖVP im September 2021 bei der Wahl in Oberösterreich – kurz bevor die Korruptionsermittlungen gegen die Bundes-ÖVP und den damaligen Kanzler Kurz bekannt wurden. Doch auch dieses Ergebnis fiel mit einem Zuwachs von nur 1,6 Prozentpunkten eher bescheiden aus. Die darauffolgenden Rücktritte von Kurz und seinen Vertrauten, sowie Details aus den veröffentlichten Chats von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, markierten das Ende der Erfolgsserie der ÖVP. Zwischen 2017 und 2021 feierte die Partei unter Kurz bei zwölf Wahlen teilweise triumphale Siege.

Nehammer: ÖVP hat sich „zurückgekämpft“

Nehammer betonte am Sonntagabend im Wahlzelt der Volkspartei, dass sich die ÖVP „zurückgekämpft“ habe – weg von einer Position, „wo uns schon manche gesehen haben, nämlich in der Bedeutungslosigkeit der politischen Auseinandersetzung“. Die Enttäuschung bei seinen Mitstreitern könne er nicht leugnen, aber: „Wir kämpfen weiter.“

Es sei wichtig, die Erfolge anzuerkennen, doch es bleibe die Aufgabe zu verstehen, „warum radikalisierte Parteien mehr Stimmen erhalten als wir“, so Nehammer. Die ÖVP stehe im Gegensatz zur FPÖ für die Mitte und Vernunft und sei eine Partei, die Probleme löse, anstatt davon zu leben. Dies sei „kein Parteislogan, sondern Identität“, sagte Nehammer in die applaudierende Menge. Nun gelte es, die Menschen noch stärker von der Volkspartei zu überzeugen. Am Wahlabend stellte sich die Partei geschlossen hinter den Parteichef.

Stocker: „Jetzt feiern wir trotzdem“

Generalsekretär Christian Stocker räumte ein, dass die Partei das Ziel hatte, den ersten Platz zu erreichen: „Es ist kein Geheimnis, dass wir Platz eins erreichen wollten.“ Dennoch: „Jetzt feiern wir trotzdem.“ Für das erhoffte Fotofinish und das Überholen der FPÖ habe es nicht gereicht, so Stocker weiter. Das Wahlergebnis sei nicht mit früheren Ergebnissen vergleichbar. Man werde später analysieren, „an welchen Schrauben man drehen müsse“, aber die Partei stehe geschlossen hinter Nehammer. Eine Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl werde es, wie Nehammer mehrfach betont hatte, nicht geben.

Sobotka schließt Koalition mit Kickl weiterhin aus

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bekräftigte im ORF-Interview, dass die ÖVP keine Koalition mit FPÖ-Chef Kickl eingehen werde: „Das war vor der Wahl so und ist auch jetzt so.“ Eine verlässliche Zusammenarbeit mit Kickl sei nicht möglich. Nun gelte es abzuwarten, „welche Mehrheiten sich dann ergeben“.

Romana Deckenbacher, Spitzenkandidatin der ÖVP in Wien, erklärte, dass die FPÖ durch Angstmacherei und Verschwörungstheorien viele Wähler emotional erreicht habe. Die ÖVP sei jedoch „weiterhin entschlossen“.

Auch Georg Strasser, Präsident des Bauernbundes und ÖVP-Nationalratsabgeordneter, sprach von einer „soliden Leistung“ der Partei trotz schwieriger Rahmenbedingungen. Er betonte jedoch, dass rund 29 Prozent der Wähler eine Protestpartei wie die FPÖ gewählt hätten. Auch Strasser stellte sich am Wahlabend hinter Nehammer.