Eine eigens eingesetzte Kommission soll den Gasliefervertrag der russischen Gazprom mit der heimischen OMV überprüfen, der bisher unter Verschluss war. Energieministerin
Leonore Gewessler (Grüne) kündigte dies am Dienstag an. Ziel sei es, sowohl die Möglichkeiten eines Ausstiegs aus dem Vertrag zu prüfen als auch ähnliche „politische Fehler“ in der Zukunft zu vermeiden.
„Die Vertragsverlängerung 2018 war ein Fehler“, sagte Gewessler bei der Vorstellung der Kommission im Rahmen einer Pressekonferenz. Man müsse aus politischen Fehlern lernen. Sie wies darauf hin, dass die Unterzeichnung im Bundeskanzleramt stattfand, obwohl die OMV ein Aktienunternehmen sei, auch wenn der Staat Anteile daran hält. Die Kommission soll auch die politischen Begleitumstände der Vertragsverlängerung analysieren.
Die Kommission sei nicht dafür zuständig, unternehmerische Entscheidungen zu prüfen, aber der Vertrag habe „die Abhängigkeit von Russland einzementiert“, so Gewessler. Es sei „unabdingbar“, dass die Politik solche schwerwiegenden Entscheidungen vorab prüfe. Denn die Abhängigkeit vom russischen Gas gefährde den Wohlstand in Österreich, zudem finanziere man den Krieg in der Ukraine mit.
Leonore Gewessler mit den Vorsitzenden der Kommission, Irmgard Griss und Andreas Kletecka Der Vertrag wurde 2018 im Beisein des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und des russischen Präsidenten Wladimir Putin weit vor Ablauf des laufenden Vertrags um zwölf Jahre von 2028 bis 2040 verlängert. Den genauen Vertragsinhalt kannte bisher nur die OMV, nicht aber die Regierung oder die Regulierungsbehörde E-Control. Bekannt ist, dass eine „Take or Pay“-Klausel vereinbart wurde: Gazprom liefert, und die OMV muss zahlen, auch wenn sie das Gas nicht benötigt.
Strenge Regeln für Einsichtnahme
Die Kommission, die zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, erhält unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben der „Gas-SOS-Verordnung“ der EU Einsicht. Den Vorsitz übernehmen die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes (OGH), Irmgard Griss, und der Universitätsprofessor Andreas Kletecka. Im Herbst sollen erste Ergebnisse vorliegen, einen Abschlussbericht soll es bis Ende des Jahres geben.
Weitere Mitglieder der Kommission sind der ehemalige Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde, Walter Barfuß, der ehemalige E-Control-Vorstand, Walter Boltz, der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr, der ehemalige AGGM-Vorstand Thomas Starlinger und Velina Tchakarova, ehemalige Direktorin des Österreichischen Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik.
Keine Vorladungen geplant
Geprüft werden soll, wie in Zukunft bei Verträgen vorgegangen werden soll, „die zwar ein privates Unternehmen schließt, die aber immense Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage, die sicherheitspolitische Lage und überhaupt auf die Lebensbedingungen in Österreich haben“, so die ehemalige OGH-Präsidentin Griss. Sie verwies darauf, dass andere Staaten es schneller geschafft hätten, aus russischem Gas auszusteigen. Man müsse prüfen, wie die Verlängerung 2018 abgelaufen sei und welche Regeln man aufstellen kann, damit „so etwas nicht mehr passiert“.
Im Fall des Gasliefervertrages würden „wesentliche energiepolitische bis hin zu außenpolitischen Aspekten“ vom Privatrecht geregelt, „dazu ist das Privatrecht nicht da. Man muss eine Struktur finden, wie man das in Zukunft anders gestalten kann“, sagte Kletecka. Für die Klärung dieser Fragen will die Kommission unter anderem Interviews führen. Dazu sollen laut Kletecka verschiedene Arbeitsgruppen und Arbeitspakete gebildet werden. Eine Vorladung politisch Verantwortlicher wie Kurz sei nicht angedacht.
Auf die Frage, ob die Ankündigung nicht schon Teil des Wahlkampfs sei, sagte Gewessler, dass man schon länger an der Kommission arbeite, aber die Vorsitzenden Einblick in den Vertrag gefordert hätten. Das sei nun möglich. Griss wiederum wies von sich, ein „politisches Feigenblatt“ im Sinne einer Instrumentalisierung zu sein, sie sei „froh, dass ich noch etwas für diesen Staat tun kann“, und lasse sich in ihrem Einsatz und Engagement nicht beirren. Gewessler fügte hinzu, dass die Ergebnisse auch für künftige Regierungen nützlich sein könnten.
ÖVP sieht Effekthascherei
Für die ÖVP hinterlässt die Ankündigung den Eindruck eines PR-Gags, so ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf in einer Aussendung, auch wenn die Mitglieder der Kommission „über die Parteigrenzen hinweg anerkannte Persönlichkeiten“ seien. Es sei gemeinsames Ziel der Regierung, die Abhängigkeit von russischen Energieträgern zu reduzieren, die „in bester vorausschauender Absicht geschlossenen Verträge für politische Effekthascherei zu instrumentalisieren“, stehe dem Ziel einer konstruktiven Zusammenarbeit aber entgegen.
Eine Aufarbeitung der damaligen Vertragsverhandlungen müsse „seriös und transparent, nicht als Inszenierung, die justament zu Beginn des Wahlkampfs beginnt“, erfolgen.
NEOS moniert „späte Einsicht“
Auch NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer ist der Meinung, die „späte Einsicht von Gewessler ist wohl dem Wahlkampf geschuldet“. Die Kommission sei gut besetzt, komme aber um zwei Jahre zu spät. Der Ausstieg aus dem Gazprom-Vertrag wäre möglich gewesen, der politische Wille habe aber gefehlt. NEOS habe seit Beginn des Angriffskrieges viele Vorschläge für eine Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas gemacht. Diese müssten nun rasch umgesetzt werden.
Der im EU-Vergleich höhere Gaspreis in Österreich belaste die Haushalte um bis zu 600 Euro pro Jahr mehr und schädige auch Unternehmen. Erst im Mai habe der Anteil von russischem Gas in Österreich wieder 90 Prozent betragen.
FPÖ sieht spätes Handeln
Auch aus Sicht der FPÖ handelt die Regierung zu spät, die Energieministerin wälze nun „die Verantwortung lediglich auf eine Kommission ab“, sagte Energiesprecher Axel Kassegger laut Aussendung. Die Wirtschaftskammer (WKO) wünschte sich in einer Aussendung „Taten statt Arbeitskreise“. Generalsekretär Karlheinz Kopf forderte, wie auch die FPÖ, eine Fortführung des Ende 2024 auslaufenden Transitvertrags durch die Ukraine.
„Am Abend wird der Faule fleißig – Mehr fällt einem zu dieser fadenscheinigen Inszenierung leider nicht ein“, kommentierte SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll, auch er ortete eine Wahlkampfaktion. Foto-Ghirla, Wikimedia commons.