Österreich

Kultur

 

In der weltberühmten Wintersportdestination Davos kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Spannungen zwischen Einheimischen und orthodoxen jüdischen

Feriengästen. Was ist der Grund dafür?

Diese Woche geriet das Hotel-Restaurant an der Bergstation Pischa in Davos in die internationalen Schlagzeilen. Es hatte ein Schild in hebräischer Sprache angebracht, auf dem zu lesen war, dass keine Schlitten und Skis mehr an jüdische Gäste vermietet würden.

Der Restaurantbesitzer entschuldigte sich für die Formulierung und erklärte gegenüber der Zeitung Blick und anderen Schweizer Medien, dass der Entscheid nichts mit dem Glauben oder persönlichen Vorlieben zu tun habe, sondern mit Sicherheitsbedenken und dem Ärger, wenn Gäste in Turnschuhen Ausrüstung ausleihen und dann Schlitten auf der Piste stehen lassen würden.

“Wir wollen das Risiko nicht mehr tragen, dass irgendwann einer dieser Gäste einen schweren Unfall baut und uns dafür zur Rechenschaft zieht”, sagt Ruedi Pfiffner, Inhaber des Bergstation-Restaurants Pischa, gegenüber Blick.

Der Aushang wurde schließlich entfernt und durch ein Schild in deutscher Sprache ersetzt, das nicht spezifisch jüdische Gäste anspricht, sondern generell darauf hinweist, dass für den Verleih von Sportgeräten geeignete Winterkleidung und -schuhe erforderlich sind.

Doch der Schaden war angerichtet. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund bezeichnete das Schild als diskriminierend und kündigte an, rechtliche Schritte zu prüfen. Auch die Polizei des Kantons Graubünden hat von Amts wegen Ermittlungen aufgenommen.

Der Vorfall an der Bergstation Pischa ist kein Einzelfall, und solche Konfrontationen sind nicht neu. Die Spannungen zwischen der Davoser Bevölkerung und den jüdisch-orthodoxen Gästen schwelen seit Jahren.

Letztes Jahr sprach der Geschäftsleiter von Davos Klosters Tourismus sogar von einem Siedepunkt in Davos. Was ist los?

Warum Davos? Davos ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Ferienziel für orthodoxe Juden. Man schätzt, dass in der Hochsaison im Sommer etwa 3000 bis 4000 Jüdisch-Orthodoxe in Davos Ferien machen – einer Stadt mit 11’000 Einwohnern. Zum Vergleich: In der Schweiz leben rund 18’000 jüdische Gläubige.

Historikern zufolge kamen die ersten jüdischen Gäste um 1870 nach Davos. Damals wurde der Alpenkurort als Zentrum für die Behandlung von Lungenkranken bekannt.

Um die Jahrhundertwende entstanden orthodox geführte Gästehäuser, und 1919 wurde in Davos das jüdische Sanatorium Etania eröffnet.

Dieses wurde im Jahr 2000 zwar geschlossen, vor kurzem aber in eine Jugendherberge umgewandelt, die speziell auf die Bedürfnisse jüdischer Gäste ausgerichtet ist.

In den letzten zwanzig Jahren haben Mitglieder der jüdischen Gemeinde in der Schweiz dazu beigetragen, die Infrastruktur in Davos aufzubauen, darunter eine Synagoge in einem ehemaligen Spital.

In den Sommermonaten werden mehrere Hotels von jüdischen Familien betrieben, die koschere Küche, Gebetsräume und andere Unterkünfte anbieten.

Die Supermärkte im Ort verkaufen koschere Lebensmittel. Bekannte Rabbiner aus Israel, Antwerpen und New York sind hier zu Gast, was weitere Gäste aus dem Ausland anzieht.

Zwar sind auch andere Bergdestinationen wie St. Moritz und Crans Montana bei jüdischen Touristen beliebt, doch ist dies auch eine Frage von Angebot und Nachfrage.

“Orte, die Einrichtungen [für solche Gäste] anbieten, haben mehr jüdische Gäste”, schreibt Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, SWI swissinfo.ch per E-Mail.

Samuel Rosenast, Pressesprecher von Davos Klosters Tourismus, teilt SWI swissinfo.ch mit, dass sie keine speziellen Dienstleistungen für jüdische Gäste anbieten würden. “Unser Angebot ist für alle Gäste gleich. Wir unterscheiden nicht nach Herkunft, Religion oder Kultur.” Die spezifischen Dienstleistungen würden von privaten Anbietern erbracht.

Davos habe in den letzten Jahren sein koscheres Angebot ausgebaut, und die Freizeitmöglichkeiten in der Region seien zu einem wichtigen Verkaufsargument für jüdische Familien geworden, sagt Kreutner. Die Zahl der ausländischen Gäste hat stetig zugenommen, darunter Reisende aus Grossbritannien, Belgien, den USA und Israel.

Siedepunkt? Seit immer mehr orthodoxe Juden in Davos Ferien machen, gibt es Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung. Es kursieren Berichte von Einheimischen, die sich über jüdische Gäste beschweren, die ihren Müll wegwerfen oder auf Plätzen picknicken, die für Restaurantgäste reserviert sind.

Einige Reaktionen gingen sogar noch weiter. Im Jahr 2017 sorgte ein Hotel in Arosa, drei Zugstunden von Davos entfernt, für Aufregung, weil es explizit jüdische Gäste auf einem Schild aufforderte, vor dem Schwimmen zu duschen. Das hatte eine offizielle Beschwerde des israelischen Aussenministeriums zur Folge.

2019 beschwerten sich einige Einheimische über eine Prozession von 2000 jüdisch-orthodoxen, die an einer Tora-Einweihungsfeier durch die Strassen von Davos teilnahmen. Foto-MadGeographer, Wikimedia commons.