Die Auswirkungen vergangener und aktueller globaler Krisen haben antisemitische Verschwörungsmythen befeuert, wie der kürzlich präsentierte Antisemitismus-Bericht des Parlaments belegt.
Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, dass Juden und Jüdinnen die "internationale Geschäftswelt" beherrschten. Der Bericht ist der dritte seiner Art, der im Auftrag des Parlaments durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 2.000 Personen ab 16 Jahren in Österreich von Mitte Oktober bis Ende November des vergangenen Jahres telefonisch und online befragt. Auch fast 1.000 in Österreich lebende Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund wurden in einer eigenen Stichprobe berücksichtigt. Teilweise jahrtausendealte Verschwörungsmythen haben wesentlichen Einfluss auf antisemitische Einstellungen.
Diese Einstellungen müssen nicht unbedingt mit dem Judentum in Verbindung stehen. Menschen mit höherem Bildungsgrad drücken jedoch deutlich weniger Zustimmung zu antisemitischen Aussagen aus. Auch das Basiswissen über Jüdinnen und Juden ist entscheidend - etwa zur Anzahl der im Holocaust Ermordeten. Nur 45 Prozent der in Österreich Lebenden wissen, dass rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden im Holocaust getötet wurden. Ein knappes Viertel wollte oder konnte keine Angabe machen. Bei jenen, die eine falsche Antwortoption ausgesucht haben, wurde sehr viel öfter eine geringere Opferzahl vermutet (23 Prozent) als eine höhere (zehn Prozent).
Verschwörungsmythen in Bezug auf den Holocaust sind auch heute noch weit verbreitet. So fanden 36 Prozent der Befragten, dass Juden und Jüdinnen heute "Vorteile" aus der Verfolgung während des Nationalsozialismus ziehen wollten. Immerhin 19 Prozent stimmten der Aussage zu: "Es ist nicht nur Zufall, dass die Juden in ihrer Geschichte so oft verfolgt wurden; zumindest zum Teil sind sie selbst schuld daran." Elf Prozent fanden, dass die Berichte über Konzentrationslager und Judenverfolgung übertrieben seien.
Eine höhere Anzahl von antisemitischen Einstellungen fand sich in der Aufstockungsgruppe mit Migrationshintergrund, wobei Projektkoordinator Thomas Stern betonte, dass es sich hierbei nicht um einen "monolithischen Block" handle. Vor allem der israelbezogene Antisemitismus sei hier stärker vertreten. 62 Prozent meinten etwa, dass sich Israelis in Bezug auf Palästinenser nicht anders verhalten würden als die Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Rund 40 Prozent der Aufstockungsgruppe stimmten der Aussage zu: "Es ist nicht nur Zufall, dass die Juden in ihrer Geschichte so oft verfolgt wurden; zumindest zum Teil sind sie selbst schuld daran." Unter den gesamten Befragten sind es hingegen 19 Prozent. Die Mehrheit stimmte der Aussage übrigens nicht zu (59 Prozent) Foto-Beny Shlevich, Wikimedia commons.