Vor einem Jahr haben die Landespolizeidirektion Wien und das Bundeskriminalamt eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Kinder- und Jugendkriminalität ins Leben gerufen.
Am Montag wurde nun ein Fünf-Punkte-Programm präsentiert, das gezielt Kinder in Wien von kriminellen Handlungen abhalten soll.
Anstieg der Kriminalität unter jungen Menschen
Angesichts der stark gestiegenen Zahlen bei Straftaten von Kindern und Jugendlichen wurde dieser Maßnahmenplan entwickelt. Auch die im Regierungsprogramm vorgesehene Einführung geschlossener Einrichtungen ist darin vorgesehen – ein Punkt, der unter beteiligten Organisationen weiterhin kontrovers diskutiert wird. Insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe hat sich bisher entschieden gegen solche Maßnahmen ausgesprochen. Doch laut Walter Dillinger, Leiter der Arbeitsgruppe und Vertreter der Wiener Polizei, sowie Johannes Köhler, Leiter der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11), scheint sich die Haltung zu ändern. „Wir stehen vor einer völlig neuen Situation“, betonte Köhler. Dillinger ergänzte: „Es ist erschütternd, dass sich der Staat nicht gegen den Willen solcher Personen zur Wehr setzen kann – das wird sich ändern.“
Fünf Maßnahmen zur Prävention und Intervention
Das vorgestellte Programm umfasst Maßnahmen zur Prävention und besseren Vernetzung, insbesondere mit Eltern, Schulen, Kindergärten sowie weiteren Organisationen. Erst als letzter Schritt sollen geschlossene Einrichtungen für schwer auffällige Kinder in Betracht gezogen werden.
Ein zentraler Bestandteil ist die „Koordinierte Intervention bei Schwellentäter*innen“ (KISI), die greift, wenn unmündige Kinder erstmals straffällig werden. In solchen Fällen findet ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten unter Anwesenheit des Kindes statt, bei dem Polizeibeamte eine sicherheitspolizeiliche Beratung durchführen.
Monitoring und Orientierungshilfe
Anschließend folgt ein bis zu fünfmonatiges Monitoring mit einem abschließenden Beratungsgespräch. Sollten während dieser Zeit weitere Straftaten erfolgen, entscheidet eine KISI-Steuerungsgruppe, bestehend aus Fachleuten der Kinder- und Jugendhilfe, über das weitere Vorgehen. Der Pilot für diese Maßnahme startet am 1. Juni 2025.
Die dritte Stufe betrifft Kinder, die als Intensivtäter gelten – also innerhalb eines Jahres mindestens fünf polizeilich erfasste Straftaten begehen. Diese sollen durch die „Orientierungshilfe“ (OH) langfristig betreut werden, idealerweise durch konstante Bezugspersonen. Ziel ist es, Kindern mit vielen Wechseln in Wohngruppen und Krisenzentren stabile Beziehungen zu ermöglichen. Die Umsetzung erfolgt in enger Abstimmung mit den betreuenden Sozialarbeiter:innen.
Geschlossene Einrichtungen als letzter Ausweg
Bei besonders schweren Fällen – Kindern mit über 50 Straftaten jährlich – soll als letztes Mittel die vorübergehende Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen möglich sein. Dafür sind allerdings noch gesetzliche Grundlagen notwendig. Schätzungen zufolge wären in Wien etwa zehn bis 15 Plätze erforderlich.
Rechtliche und praktische Herausforderungen
Laut Köhler braucht es für geschlossene Einrichtungen zwingend eine bundesgesetzliche Regelung mit richterlicher Anordnung und klarer Festlegung der Dauer der Unterbringung. Bestehende Einrichtungen lassen sich nicht einfach umfunktionieren – neue, geeignete Objekte müssen gefunden werden.
Ein Vergleich mit Gefängnissen wird von den Verantwortlichen abgelehnt. Vielmehr sollen therapeutische Angebote, Schulunterricht, Sicherheitspersonal und strenge Regeln das Umfeld prägen. Dennoch wird mit hohen Kosten gerechnet. Köhler sagte, diese Einrichtungen würden „zu den teuersten gehören, die wir haben“. Petra Huber-Lintner vom Bundeskriminalamt betonte jedoch, dass es noch teurer sei, nichts zu tun: Jeder einzelne Intensivtäter verursache Folgekosten von rund 1,7 Millionen Euro – laut einer Studie aus Nordrhein-Westfalen.
Drastischer Anstieg der Fallzahlen
Warum die Maßnahmen jetzt forciert werden, erklärte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt. Demnach stieg die Zahl der tatverdächtigen Zehn- bis 14-Jährigen österreichweit im vergangenen Jahr um 23,8 Prozent – von 9.730 auf 12.049. In Wien hat sich die Zahl sogar mehr als verdoppelt: von 2.392 auf 5.066 Fälle – ein Anstieg von 112 Prozent.
Köhler berichtete außerdem, dass die Angriffe auf Mitarbeitende der Jugendhilfe zunehmen. Alle zwei Wochen werde eine Sozialpädagogin oder ein Sozialpädagoge verletzt. Photo by Franz59, Wikimedia commons.