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Unabhängig von der Zusammensetzung der nächsten Regierung steht nach der am Freitag von WIFO und IHS vorgelegten Herbstprognose fest: Sie wird direkt zu Beginn vor großen

Herausforderungen stehen. Die neue Regierung muss den deutlich gestiegenen Schuldenberg abbauen, ohne das erwartete minimale Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr vollständig zu ersticken. WIFO und IHS lieferten neben den deutlich schlechteren Zahlen auch einige Vorschläge und empfahlen eine Mischung aus Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen.

Online seit gestern, 21:00 Uhr

Die Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS haben am Freitag ihre Konjunkturprognose im Vergleich zur Juni-Schätzung stark nach unten korrigiert und rechnen nun mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge. Außerdem erwarten die Institute in diesem Jahr ein deutlich höheres Budgetdefizit von 3,7 bzw. 3,5 Prozent – jeweils 0,5 Prozentpunkte mehr als noch im Juni angenommen.

Vor allem die rückläufige Entwicklung in der Industrie und im Bauwesen sowie ein schwacher Konsum belasten die Wirtschaftsentwicklung im laufenden Jahr. Im Vorjahr schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um ein Prozent. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sprach von der „längsten, wenn auch nicht tiefsten Rezession seit 1945“.

Das Defizit liegt damit über den EU-Schuldenregeln (Maastricht-Kriterien) von drei Prozent. Und es wird schlimmer: Für das kommende Jahr erwarten die Ökonomen ein Defizit von 4,0 bzw. 3,4 Prozent. Mit anderen Worten: Was viele in der österreichischen Politlandschaft vor der Wahl prognostizierten – und was vor allem die ÖVP abstritt –, ist nun quasi offiziell bestätigt.

Felbermayr warnt vor übertriebenem Sparen

WIFO-Chef Gabriel Felbermayr betonte, dass auch im nächsten Jahr eine Rezession drohen könnte. Die Voraussetzung für das prognostizierte leichte Wachstum im Jahr 2025 sei eine deutliche Erholung der Industrie im Euro-Raum. Sollte jedoch in allen Ländern nun – um die Maastricht-Ziele zu erreichen – übertrieben gespart werden, werde dies nicht eintreten. Hier gebe es ein erhebliches Risiko, so Felbermayr.

Harte Vorgaben für die nächste Regierung

Sowohl Felbermayr als auch IHS-Chef Holger Bonin machten deutlich, dass die neue Regierung sparen muss. Kurzfristig werde es aber auch Steuererhöhungen und die Abschaffung von – beispielsweise klimaschädlichen – Subventionen, wie der Pendlerpauschale, brauchen. Als mögliche Steueransätze wurden unter anderem eine Reform der Grundsteuer sowie Änderungen bei der Mehrwertsteuer und der Mineralölsteuer genannt.

Auch die Abschaffung oder zumindest eine soziale Staffelung des Klimabonus wurde gefordert. Beide Ökonomen schlossen auch eine Vermögensbesteuerung nicht aus. Diese müsse jedoch auf einer breiten Bemessungsgrundlage mit niedrigen Steuersätzen beruhen, um eine Kapitalflucht zu verhindern und das Wachstum nicht zu gefährden.

Sparen mit Bedacht

Bonin nannte auch strengere Kriterien für die Bildungskarenz und Verschärfungen bei den Pensionen – kurzfristig vor allem bei der Korridorpension – als Bereiche, in denen Reformen notwendig seien, um die Ausgaben zu reduzieren. Beide Ökonomen betonten, dass die geforderten Sparmaßnahmen maßvoll und zielgerichtet erfolgen müssten, um das Wachstum nicht zu bremsen.

Warnung vor teuren politischen Kompromissen

Wie all dies mit den Wahlversprechen der Parteien – unabhängig von der Konstellation – vereinbar sein soll, ist derzeit unklar. ÖVP, FPÖ und NEOS versprachen beispielsweise, dass es keine neuen Steuern geben werde. Kurzfristig wird das jedoch nicht umsetzbar sein, machten WIFO und IHS klar. Sie warnten zudem vor teuren Kompromissen, um eine Koalition zu bilden.

IHS-Chef Bonin wies darauf hin, dass „Österreich in den letzten sechs Quartalen das Schlusslicht in der Euro-Zone“ in Bezug auf das Wirtschaftswachstum gewesen sei. Dies sei „ein Grund zur Sorge“ und stelle eine „Herausforderung für die nächste Bundesregierung“ dar.

Ruf nach Reformen zur Steigerung der Arbeitskräfte

Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit betonten beide Ökonomen, dass der Faktor Arbeit entlastet werden müsse. Erhöhungen der Mineralölsteuer sollten idealerweise genutzt werden, um gezielte Entlastungen bei der Lohnsteuer zu finanzieren. Es wurde auch vorgeschlagen, die Lohnsteuer so zu gestalten, dass sich eine 30-Stunden-Woche deutlich mehr lohnt als eine 20-Stunden-Woche.

Zudem wurden eine Reform der Bildungskarenz und ein flächendeckender Ausbau der Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr angesprochen. Laut Bonin würden Verschärfungen bei der Korridorpension neben der Entlastung des Budgets auch den Betrieben helfen, da viele der gesuchten Fachkräfte diese Pension in Anspruch nehmen.

Kritik von FPÖ, SPÖ und NEOS

Die politischen Reaktionen waren eindeutig: FPÖ, SPÖ und NEOS kritisierten die ÖVP und die Grünen und warfen ihnen vor, die Budgetsituation bewusst falsch oder zu positiv dargestellt zu haben. Laut FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs sei das Budget „völlig aus dem Ruder gelaufen“.

Für SPÖ-Klubobmann Philip Kucher waren die neuen Prognosen wenig überraschend. Er betonte, dass Österreich nun ein „Programm für Aufschwung, Wachstum und Beschäftigung“ brauche. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger warf der Regierung vor, „wider besseres Wissen gelogen“ zu haben. Nun brenne das Dach, und eine Reformagenda sei dringend notwendig.

Finanzministerium korrigiert Zahlen nach der Wahl

Einen Tag vor der Veröffentlichung der Herbstprognose – und wenige Tage nach der Nationalratswahl – hatte das Finanzministerium seine Defizitprognose für das Budget 2024 von 2,9 auf 3,3 Prozent des BIP erhöht und damit die Maastricht-Grenze überschritten.

Wirtschaft schrumpft zweites Jahr in Folge

Die beiden Institute erwarten in diesem Jahr einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent. Für 2025 wird ein Impuls aus dem Ausland und steigende Konsumausgaben erwartet, wodurch das BIP um ein Prozent bzw. 0,8 Prozent wachsen könnte.

Inflation deutlich niedriger

Nach den Rekordinflationsjahren 2022 und 2023 soll die Inflation in diesem Jahr auf 3,1 bzw. 3,0 Prozent sinken. Für 2025 wird eine Teuerungsrate von 2,2 bzw. 2,4 Prozent prognostiziert.

Arbeitslosigkeit steigt

Die schwächelnde Wirtschaft führt zu einer steigenden Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote soll von 6,4 Prozent im Jahr 2023 auf 7,0 Prozent im Jahr 2024 und 7,2 Prozent im kommenden Jahr ansteigen. Foto-C.Stadler/Bwag, Wikimedia commons.