In einem drastischen Schritt hat Italien wegen der Coronavirus-Epidemie den Norden des Landes weitgehend abgeriegelt. Die Regierung in Rom erließ am Sonntag ein grundsätzliches Ein- und
Ausreiseverbot für die mehr als 15 Millionen Einwohner der nördlichen Regionen, zu denen auch die Wirtschaftsmetropole Mailand und der Touristenmagnet Venedig gehören. Während in China und in Südkorea die Zahl der Neuinfektionen erneut zurückging, breitete sich das Virus in anderen Weltregionen weiter aus.
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte erklärte via Twitter, die Abriegelung großer Teile Norditaliens gelte von Sonntag an bis zum 3. April. Dadurch soll die weitere Ausbreitung der Epidemie in die Mitte und den Süden Italiens eingedämmt werden. Ausnahmen bei dem grundsätzlichen Ein- und Ausreiseverbot sind nur aus dringenden beruflichen oder familiären Gründen und in gesundheitlichen Notfällen möglich. Die Rückkehr etwa von Touristen an Wohnorte außerhalb der betroffenen Regionen bleibt erlaubt, ebenso die Rückkehr von Menschen an ihre Wohnorte in den Regionen.
Innerhalb der sogenannten roten Zone sind Fahrten nur eingeschränkt erlaubt; Sicherheitskräfte können solche Fahrten kontrollieren und eine Begründung verlangen. Für den öffentlichen Verkehr gelten hingegen keine spezifischen Einschränkungen.
Der Flugverkehr in Mailand und Venedig schien am Sonntag nicht beeinträchtigt, an den Bahnhöfen herrschte normaler Betrieb. Die Straßen in Mailand allerdings waren größtenteils ausgestorben. Das Auswärtige Amt riet von Reisen in die betroffenen Regionen und von "nicht erforderlichen Reisen in die autonome Provinz Bozen-Südtirol" ab.
Das Dekret der italienischen Regierung sieht außerdem ein Verbot aller kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen in Norditalien vor. Museen, Kinos, Theater, Diskotheken, Tanzschulen und ähnliche Einrichtungen müssen vorerst ebenso schließen wie Wintersport-Stationen. Die Schulen und Universitäten sind bereits seit Donnerstag in ganz Italien geschlossen.
Bars und Restaurants dürfen in den Gebieten der sogenannten roten Zone nur ihren Betrieb fortsetzen, wenn ein Mindestabstand zwischen den einzelnen Gästen und Mitarbeitern von einem Meter eingehalten wird. Sportminister Vincenzo Spadafora rief am Sonntag dazu auf, sämtliche Fußballspiele der ersten italienischen Liga abzusagen.
Das Dekret gilt für die gesamte Lombardei, einen Teil der Region Venetien, den Norden der Emilia-Romagna und den Osten des Piemont. Allein in der Lombardei leben zehn Millionen Menschen, davon knapp 1,4 Millionen in Mailand. Die Region ist das wirtschaftliche und industrielle Herz Italiens.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO begrüßte die drastischen Maßnahmen. Diese seien "mutig" und erforderten "wirkliche Opfer", erklärte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Sonntag im Online-Dienst Twitter. Die Italiener schützten ihr Land und die Welt.
Mit rund 5900 nachgewiesenen Infektionen und mehr als 230 Todesopfern ist Italien das am schwersten von der Epidemie betroffene Land Europas. Die Pläne der Regierung Conte wurden bereits am Samstag italienischen Medien zugespielt. Der Virologe Roberto Burioni bezeichnete diesen Vorgang als "Wahnsinn"; es sei Panik geschürt worden, und Menschen hätten versucht, aus der von ihnen vermuteten roten Zone zu fliehen.
Das neuartige Coronavirus, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslöst, hat sich mittlerweile auf fast 100 Länder ausgebreitet. Weltweit wurden mehr als 107.000 Infektionen und mehr als 3600 Todesfälle registriert. Als eines der letzten Länder Europas meldete Bulgarien in der Nacht zum Sonntag seine ersten Infektionen.
In China, wo das neuartige Coronavirus im Dezember erstmals aufgetreten war, gab es derweil die Hoffnung auf ein Ende der drastischen Quarantäne-Maßnahmen. Mit 44 Neuinfektionen war diese Zahl am Sonntag nach offiziellen Angaben erneut rückläufig. Mit 27 neuen Todesopfern - alle in Hubeis Hauptstadt Wuhan - meldete das Land die geringste Opferzahl seit mehr als einem Monat. Insgesamt starben damit in Festlandchina 3097 Infizierte.
Auch Südkorea verzeichnete einen Rückgang bei den Neuinfektionen; am Sonntag wurden dort 272 neu Infizierte registriert, deutlich weniger als die bisher täglich rund 500 neuen Fälle. Der Iran hingegen meldete am Sonntag einen Anstieg um 49 Todesfälle auf 194 binnen 24 Stunden. Die Gesamtzahl der gemeldeten Infektionen lag bei 6566.afp, Foto -Sergio Boscaino (Wikimedia).