Die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien hat einen Anstieg antisemitischer Vorfälle registriert. Im ersten Halbjahr wurden insgesamt 808 Meldungen erfasst,
was einem Anstieg von rund 160 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 entspricht, wie die IKG am Dienstag mitteilte.
Die häufigste Form war demnach israelbezogener Antisemitismus, der bereits seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel zugenommen habe. Benjamin Nägele, IKG-Generalsekretär und Leiter der Meldestelle, spricht von einem „enthemmten Antisemitismus“, dem jüdische Menschen seit dem 7. Oktober ausgesetzt seien.
Die Zahl der gemeldeten physischen Übergriffe stieg von sechs im ersten Halbjahr 2023 auf nun 16. Die Bedrohungen nahmen von vier auf 22 zu. 92 antisemitische Sachbeschädigungen bedeuten eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Massenzuschriften stieg von 77 auf 401, und bei verletzendem Verhalten gab es eine Zunahme von 179 auf 277.
IKG warnt vor Gewöhnung
255 der gemeldeten antisemitischen Vorfälle wurden Personen oder Organisationen zugeordnet, die „weltanschaulich oder religiös dem Islam zuzuordnen sind“. 225 Vorfälle hatten einen politisch links motivierten Hintergrund und 116 waren politisch rechts motiviert. 212 antisemitische Vorfälle konnten nicht eindeutig kategorisiert werden. Nach israelbezogenen Vorfällen gab es vor allem Meldungen über Shoah-Relativierung oder -Leugnung. Vorfälle, die im Rahmen von Demonstrationen oder in Online-Threads geschahen, wurden separat bearbeitet, statistisch jedoch als ein Vorfall erfasst.
IKG-Präsident Oskar Deutsch warnte vor einem Gewöhnungseffekt: „Leider bleibt die Lage bedrohlich und anhaltend bedrückend. Es darf nicht dazu kommen, dass man sich an den allgegenwärtigen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen gewöhnt.“ Politisch motivierte Akteure müssten sich nicht nur mit dem Hass anderer auseinandersetzen, sondern auch im eigenen Lager aktiv Verantwortung übernehmen. Foto-Quinn Dombrowski from Berkeley, USA, Wikimedia commons.